Die Kampagne von „Call of Duty Vanguard“ musste bereits einige Kritik einstecken. Der O-Ton des Ganzen: Die Kampagne geht altbekannte Wege, ist viel zu kurz, nimmt jedes Zweiter-Weltkriegs-Klischee mit und ist im Großen und Ganzen ein spielbarer, trashiger Action-B-Movie. All das stimmt auch, aber genau das ist der Grund, warum ich es unheimlich gern spiele.

Im Alltag lässt sich manchmal nicht alles unter einen Hut bringen und so bleiben einige Spiele ungespielt im Regal zurück. Bei mir waren dies unter anderem Titel wie „Cyberpunk 2077“ oder die „Mass Effect Legendary Edition“ – die ich zwar angetestet, aber nie fertig gespielt habe. Das liegt vor allem daran, dass die Kampagnen und die Spiele einfach sehr lang sind und man 80 bis 90 Stunden oder sogar mehr investieren muss, um die Spiele durchgespielt zu haben. Deswegen ist es auch mal schön, eine Kampagne mit einer tollen Story in zehn Stunden durgespielt haben zu können.

Geheime Dokumente können den Krieg entscheiden

Die Story beginnt am Ende des Zweiten Weltkriegs, Deutschland steht kurz vor der Kapitulation und Alliierten-Kampfverbände dringen immer weiter nach Berlin vor. Das Team „Vanguard“, eine Spezialeinheit, zusammengewürfelt aus den unterschiedlichen Nationen, muss einen Zug der Wehrmacht übernehmen, um in eine geheime Basis der Nazis einzudringen. Hier steigt man als Spieler ins Geschehen ein, kapert natürlich den feindlichen Zug und dringt in die Basis ein. Ziel der Operation ist es, an Informationen zum Projekt „Phoenix“ zu kommen. Doch die Sache geht schief – die Nazis nehmen das Team fest und bringen die Spezialeinheit nach Berlin.

In Berlin entspinnt sich dann die ganze Handlung, denn alle Team-Mitglieder erzählen in den Verhören mit der Gestapo ihre Geschichte, wie sie zur Truppe gekommen sind und was sie alle mit dem SS-General Freisinger verbindet. Neben den spielbaren Storys gibt es immer wieder gut inszenierte Cut-Scenes, in denen die Pläne der Nazis offenbart werden.

Gemeinsamer Hass verbindet

Freisinger ist es auch, der die Story vorantreibt, denn er ist von der ersten Sekunde seines Auftritts der böse SS-General, den man gerne zur Strecke bringen möchte. In seiner Verschlagenheit und seinem psychologischen Geschick erinnert er häufig an SS-Standartenführer Hans Landa, den Christoph Waltz in Inglourious Basterds so einmalig verkörperte.

Natürlich ist Freisinger nicht alleine und man bekommt es auch mit zahlreichen anderen Personen zu tun, die man gelinde gesagt am liebsten in die Luft jagen würde. Den wohl aber miesesten Gegner der Kampagne killt man in Russland. Steiner, der Kommandeur der in Stalingrad stationierten Wehrmachtstruppen, ist ein echt fieser Zeitgenosse, der keine Gnade kennt und jeden Russen in Stalingrad vernichten will. Der Kampf mit ihm erfordert ein wenig Geschick und jede Menge Munition, denn der Mistkerl hat seinen eigenen Todesschwadron, der ihn beschützt. Hat man diesen überwunden, setzt Steiner selbst einem noch ordentlich zu.

Steiner und seine Leibwächter

Fünf Stories, ein Gegner

In den Verhören, die von Freisingers Adjutant Richter durchgeführt werden, erfährt man die Story hinter den „Vanguard“-Mitgliedern und welche Schicksale sie als Spezialeinheit zusammengeführt haben.

  • Anführer Sergeant Arthur: Der Anführer der Truppe kämpfte am D-Day als Fallschirmspringer. Er wird zum Anführer, nachdem sein Captain gestorben ist. Gemeinsam mit seiner Einheit stürmt er die Bunkeranlagen und Verteidigungsstellung der Wehrmacht am Verteidigungswall der Normandie.
  • Scharfschützin Polina: Die Geschichte von Polina beginnt mit einem gemütlichen Familien-Tee. Dieser wird zu einer Katastrophe, denn es kommt zu dem Überfall der Wehrmacht auf Stalingrad bei dem ihr Vater und ihr Bruder fallen. Als Lady Nachtigall versucht sie Rache zu nehmen, indem sie alle Nazis, die sie finden kann, umbringt.
  • Sprengstoffexperte Riggs: Der Australier ist Teil der britischen Armee, die von einem schnöseligen britischen Major angeführt wird. Als Sprengstoff-Experte und Raubein legt er sich des Öfteren mit dem Major an und missachtet dessen Befehle. In einer entscheidenden Schlacht im Afrika-Krieg kämpfen er und sein bester Kumpel alleine gegen eine Übermacht von deutschen Soldaten, um die feindlichen Flaks auszuschalten.
  • US-Pilotenass Wade: Er ist der Spaßvogel der Truppe und nimmt nicht alles ernst. Als Pilot kämpft er im Pazifik-Krieg gegen die Japaner. Fast im Alleingang zerbombt er die japanische Flotte. Eine Bruchlandung zwingt ihn dazu, nicht alles so spaßig zu sehen, denn er lernt das harte Leben einer US-Infanterie-Einheit kennen und was es heißt, einen Kameraden zu verlieren.

Meine Highlights

Bei mir macht es vermutlich die Mischung aus den Szenarien und Kriegsschauplätzen aus. Die Protagonisten fühlen sich nicht wie seelenlos generierte Soldaten an, die, einfach von A nach B spazieren und nebenbei die halbe deutsche Wehrmacht im Alleingang zerlegen. Jedes der „Vanguard“-Mitglieder hat etwas, das ihn antreibt, ihm ein Gesicht gibt und nicht zu Soldat XYZ werden lässt.

Am meisten beeindruckt haben mich die Geschichten von Polina und Wade. Polina als einfaches Sanitätsmädchen wird zur Schützin, die sich dem Feind mutig entgegenstellt und ihr Vaterland beschützt. Sie hat meiner Meinung nach auch den meisten Tiefgang und eine Geschichte, die mich von Anfang bis Ende nicht losgelassen hat. Man fühlt richtig ihren Schmerz und Hass, die sie auf Steiner und die Nazis hat, aber eben auch die tiefe Trauer, die sie durch die Verluste in ihrer Familie und unter ihren Kameraden erleiden muss.

Für die Fallschirmspringer wird es in der Normandie brenzlig.

Die Geschichte von Wade ist da wieder etwas anders. Sie hat mich aus dem Grund beeindruckt, dass hier ganz klar Vorurteile abgebaut werden. Als Flieger-Ass hält sich Wade für den Größten und seine Abschussbilanz spricht für sich. Doch nach einem Absturz wird er von schwarzen G.I.s aus der japanischen Gefangenschaft gerettet. Die Truppe zeigt ihm dann, was es heißt, Kameraden zu verlieren und füreinander einzustehen. Diese Freundschaft und Dankbarkeit spürt man auch im weiteren Verlauf der Geschichte in Berlin.

Alles in allem ist die Kampagne von „Call of Duty Vanguard“ zwar ein Klischee-Feuerwerk und das Setting Zweiter Weltkrieg ist zurecht nicht jedermanns Sache. Aber wer ein wenig abseits davon schaut, entdeckt vielleicht – so wie ich – dass mehr hinter der Story steckt, als bloß „Alliierte gegen Nazis“. „Vanguard“ ist ein Action-Blockbuster und soll unterhalten und mit einem Wochenende hat es das für mich auch geschafft. Wem das noch nicht reichen sollte, für den gibt es ja auch noch den Zombie- und einen Mehrspieler-Modus.

Bild: Activision Blizzard

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